St. Peter-Ording: Tragischer Tod - Zu wenige Rettungswagen? (sh:z - 11. Juni 2007)
Es sollte der schöne Abschluss einer schönen Woche an der Nordsee werden, doch es wurde einer der traurigsten Tage ihres Lebens. Nach einem Abendessen kehren Krystyna Temme aus Dortmund und ihr Lebensgefährte in ihr Ferienappartement in St. Peter-Ording zurück. Dort wird dem 58-Jährigen plötzlich sehr schlecht. Voller Panik alarmiert Krystyna Temme den Vermieter über das Haustelefon. Der wählt den Notruf. Doch die Rettungsleitstelle muss das Paar vertrösten: Notarzt und Rettungswagen (RTW) können erst in 25 Minuten vor Ort sein. Die in Garding und Tönning stationierten Wagen sind bei anderen Notfällen. Der Rettungshubschrauber aus Niebüll kann nicht starten, da er im Dunkeln nicht fliegen darf.

Schließlich trifft ein Arztehepaar aus St. Peter-Ording bei Krystyna Temme und ihrem Lebensgefährten ein – direkt von einem anderen Notfall. Das Ehepaar fordert erneut einen RTW an. Als der schließlich nach zehn Minuten gegen 22.35 Uhr eintrifft, ist es jedoch zu spät: Krystyna Temmes Lebensgefährte stirbt kurz darauf an einem Herzinfarkt.

Krystyna Temme ist schockiert, fassungslos. Die 59-Jährige erstattet bei der Kripo Dortmund Anzeige gegen Unbekannt wegen Körperverletzung mit Todesfolge. „Ich kann nicht begreifen, dass man ihm nicht helfen konnte. Es kann doch nicht nur einer zur Zeit gerettet werden, und das in einem Ort mit vielen Urlaubern?“ In St. Peter-Ording will sie jetzt nicht mehr ihren Lebensabend verbringen. „Hier kann man mir im Notfall ja nicht helfen.“

Der tragische Tod von Krystyna Temmes Lebensgefährtem sei auf eine Verkettung unglücklicher Umstände zurückzuführen, so der Kreis Nordfriesland, der für die Organisation des Rettungsdienstes zuständig ist. Im Normalfall sei die Ausstattung mit Rettungskräften und -geräten richtig und ausreichend. Einsatzkräfte könnten binnen zwölf Minuten, die gesetlich vorgeschrieben sind, am Unglücksort sein. In diesem speziellen Fall waren nach Angaben des Kreises jedoch alle verfügbaren Rettungswagen und Notärzte im Einsatz. Der Notruf ging um 22.05 Uhr bei der Rettungsleitstelle ein. Der in Tönning stationierte RTW war in Husum und fuhr mit Blaulicht um 22.08 Uhr nach St. Peter-Ording. Die Tönninger Notärztin war mit dem RTW aus Garding bei einem anderen Patienten im Nordseebad, und fuhr mit diesem Notfall nach Husum ins Krankenhaus. Im Einsatz waren auch die Fahrzeuge aus Husum und Högel sowie der RTW aus Norderstapel, heißt es in einer Erklärung des Kreises. Die Wagen in Büsum-Westerdeichstrich und Heide hätten 35 bis 39 Minuten bis nach St. Peter-Ording benötigt. Und der nachts verfügbare Rettungshubschrauber in Rendsburg habe eine Vorlaufzeit von einer Stunde.

Um 22.35 Uhr traf der Tönninger Notarztwagen ohne Ärztin ein, zwei Minuten später der Tönninger RTW. Allerdings konnten die Sanitäter dem Mann nicht mehr helfen. Die Disponenten des Kreises könnten sich an keinen vergleichbaren Fall mit so traurigem Ausgang erinnern. Einen zweiten RTW in Garding zu installieren, dafür sieht der Kreis keinen Anlass. „Das ist laut Gutachten nicht notwendig“, so Hans-Martin Slopianka, Pressesprecher des Kreises. Die Bedarfsbemessung von RTWs werde von einem Gutachter der Krankenkassen vorgenommen. Eiderstedts Ärzte und die am Rettungswesen Beteiligten haben aber schon mehrfach einen zweiten RTW für die Ferienzeit gefordert. Denn St. Peter-Ording vervielfacht in der Urlaubssaison seine Einwohnerzahl.

Anmerkung Brian Peschke:
Nach einer gutachterlichen Neubemessung konnte ein weiterer Rettungswagen an der Rettungswache in Garding für die "Saison" (Mai bis September von 15 bis 23 Uhr) fest stationiert werden. Vom Kreis Nordfriesland wurden weiterhin Maßnahmen unternommen, um die rettungsdienstliche Situation auf Eiderstedt unabhängig von der gutachterlichen Bemessungsgrundlage zu verbessern, siehe hierzu der Artikel vom 23. August 2007.
Es muss jedoch an dieser Stelle erwähnt werden, dass es sich hierbei um einen Ausnahmefall gehandelt hat: Beide auf Eiderstedt stationierten Rettungswagen, ebenso die Husumer und der Norderstapeler Rettungswagen waren bereits zu anderen Notfällen alarmiert, genauso wie die Notärzte aus Husum und Tönning. Weiterhin waren aufgrund der nächtlichen Dunkelheit die Rettungshubschrauber in Niebüll (gar nicht) und Rendsburg (erst mit einstündiger Vorlaufzeit) nicht verfügbar.
Es wird hoffentlich deutlich, wieviele Notfälle hier zur eher ruhigen Abendzeit gleichzeitig zu versorgen waren, um die so tragische Situation für den Lebensgefährten von Frau Temme entstehen zu lassen.